Kitzingen, 7. Juli 2023 – Das Bordnetz steht vor einem disruptiven Wandel: Hochleistungsrechner und eine klare Gliederung machen es fit für automatisiertes Fahren, Digitalisierung & Co. Leoni ermöglicht mit zonalen Architekturen den Automobilherstellern, die Total Cost of Ownership (TCO) der Bordnetze zu senken, sowie die Produktionsprozesse und Lieferketten neu zu organisieren und nachhaltiger zu gestalten.
Automobilhersteller stehen derzeit vor vielen Herausforderungen: zum Beispiel Vernetzung, automatisiertes Fahren, Elektrifizierung des Antriebsstrangs sowie Digitalisierung und CO2-Minimierung. Dies führt im Fahrzeugbordnetz unter anderem zu höheren Sicherheitsanforderungen, mehreren Spannungsebenen, mehr Leistungsbedarf sowie zu mehr Sensoren, Aktuatoren, Datenverkehr und Prozessorkapazität. Heutige kundenspezifische Bordnetze haben teilweise mehr als 100 Steuergeräte und mehr als 1000 Einzelleitungen, Tendenz steigend. „Damit stoßen wir langsam an die Grenzen dessen, was in Fertigung und Endmontage sinnvoll handhabbar ist, sagt Ingo Spengler, Leoni-COO und Vorstand. „Seien wir ehrlich: So wie bisher können wir nicht weitermachen. Wir müssen das Bordnetz neu denken.“
Klares Konzept, klare Vorteile
Künftige elektrische und elektronische Architekturen werden nach Auffassung von Leoni über wenige Zentralrechner verfügen, verbunden durch leistungsstarke „Datenautobahnen“. Um die Hochleistungsrechner herum wird das Bordnetz in mehrere Zonen unterteilt. In diesen Zonen erledigt ein Zonen-Controller selbständig Teilaufgaben – etwa die Leistungsverteilung oder das Datenmanagement von und zu den Sensoren und Aktuatoren. Erste zonale Architekturen dieser Art werden in den nächsten Jahren in Serie gehen (sogenannter Zonaler Ansatz 1.0). Beispielsweise hat Leoni aktuell einen ersten Kundenauftrag erhalten. Der global agierende Automobilhersteller und Leoni haben gemeinsam das Bordnetz so ausgelegt, dass Teilkabelsätze automatisiert gefertigt werden können. Gegen Ende dieses Jahrzehnts könnte nach Ansicht von Leoni die Anzahl der Zonen und Zonenrechner sukzessive zunehmen. Verbunden wäre damit eine weitere Standardisierung von Leistungsverteilung und Schnittstellen, ebenso wie eine noch konsequentere softwaregestützte Funktionalität (Zonaler Ansatz 2.0).
Eine klug gegliederte zonale Architektur bietet viele Vorteile. Am offensichtlichsten sind neue Möglichkeiten für Produktionsprozesse und Supply Chain. Denn je kleiner die Teilkabelsätze der einzelnen Architekturzonen sind, desto eher können sie teil- oder perspektivisch vollautomatisiert gefertigt werden – inklusive der Integration von Konnektoren, Controllern oder Befestigungselementen. Für die Fertigung von zunächst kleineren, später auch größeren Teilkabelsätzen entwickelt Leoni bereits intelligente Konzepte und Anlagen.
Flexiblere Produktion und Lieferketten
Die teil- oder vollautomatisierte Fertigung von Teilkabelsätzen ermöglicht zum Beispiel den Wandel von einer kunden- hin zu einer produktspezifischen Fertigungsstrategie. Bisher erstellt Leoni in der Regel einen kundenspezifischen Kabelsatz in einem bestimmten Werk. Künftig plant das Unternehmen, Teilkabelsätze ähnlicher Struktur – beispielsweise für Stoßfänger – für verschiedene Kundenfahrzeuge gemeinsam in einem Werk zu fertigen. Dadurch lassen sich Auslastungsschwankungen besser kompensieren und der künftig deutlich höhere Automatisierungsgrad wird die Fertigungsqualität und die Rückverfolgbarkeit aller Produktionsprozesse stark verbessern.
Ein weiterer Effekt ist, dass ein hoher Automatisierungsgrad die relative Bedeutung der Lohnkosten mindert. Das eröffnet die Chance, Fertigungsstandorte für Kabelsätze wieder näher an die OEM-Fahrzeugmontagewerke heranzurücken – um einerseits die Entfernungen und folglich die Transportkosten zu verringern, andererseits den CO2-Fußabdruck der Logistik und des Bordnetzes zu senken. Zusätzlich kann eine OEM-nahe Bordnetzproduktion geopolitische Risikofaktoren abschwächen und so die Resilienz der Lieferketten stärken.
In der Fahrzeugmontage des OEM eröffnen zonale Architekturen ebenfalls neue Freiheiten. So kann ein Teilkabelsatz abseits der Hauptlinie – oder extern bei einem Tier1-Zulieferer – separat in ein Fahrzeugmodul eingebaut werden, das erst anschließend mit dem Restfahrzeug „verheiratet“ wird. OEMs erwägen bereits, große Module eines Fahrzeugs (zum Beispiel Frontend, Backend, Skateboard) separat komplett zu fertigen (inklusive Teilbordnetz) und erst in einer Endmontage zum kompletten Automobil zusammenzubauen. Dabei wird der Teilkabelsatz mit definierten und robusten Schnittstellen einfach und sicher mit dem Hauptkabelsatz verbunden. Das Testen der Bordnetzfunktionalität und das Flashen der Software könnte ebenfalls frühzeitig im Modul erfolgen – und nicht erst am Bandende.
Standards und Effizienz senken Kosten
Zweiter großer Vorteil von zonalen Architekturen sind Einsparpotenziale bei den Total Cost of Ownership (TCO). Im Zuge der Automatisierung bietet sich eine weitgehende Standardisierung von Prozessen, Komponenten und Schnittstellen an. Zum Beispiel arbeitet Leoni bereits an einem Operating System, das Best Practices sammeln, vereinheitlichen und zu einer standardisierten Arbeitsweise in allen Leoni-Standorten zusammenführen soll. Zusammen mit einheitlichen Kabeln, Steckverbindern, Prozessoren und Hard- sowie Software-Schnittstellen kann sowohl die Kabelsatzfertigung bei Leoni als auch die Fahrzeugendmontage beim OEM zeitlich und finanziell optimiert werden. Beispielsweise lässt sich so der Zielkonflikt „Stückkosten versus Montagekosten“ besser ausbalancieren. Leoni kann in enger Abstimmung mit dem OEM einen intelligent gestalteten Kabelsatz entwickeln, der eventuell höhere Stückkosten bei der Fertigung durch eine automatisierte und damit günstigere Montage im Werk des Kunden überkompensiert.
Weiterer Trumpf des zonalen Ansatzes ist die Modularität. „Schon in der Entwicklungsphase lassen sich die unvermeidbaren kurzfristigen Änderungen einfacher und somit schneller in die Gesamtarchitektur integrieren“, betont Walter Glück, CTO der Leoni-Bordnetz-Division WSD. „Das gleiche gilt für Modellpflegemaßnahmen und die Weiterentwicklung der Bordnetzarchitektur bei einem Modellwechsel.“
Eine nachhaltige Lösung
Dritter großer Vorteil ist die verbesserte Nachhaltigkeit einer zonalen Architektur. Die heutigen kundenspezifischen Kabelsätze sind groß, unhandlich und schwer. Erste Analysen aus aktuellen Projekten (Zonaler Ansatz 1.0) zeigen, dass das Gesamtgewicht einer zonalen Architektur um etwa zehn Prozent geringer ausfallen könnte. Bei einem zonalen Ansatz 2.0 könnte die Masse im Vergleich zu heutigen kundenspezifischen Kabelsätzen sogar um 20 bis 30 Prozent sinken.
Weitere Gewichtspotenziale erschließen sich aus dem viel handlicheren Package der Transportverpackungen von Teilkabelsätzen im Vergleich zu einem schweren und voluminösen kundenspezifischen Kabelsatz. Zusammen mit der räumlich optimierten Lieferkette bietet die zonale Architektur das Potenzial, den CO2-Fußabdruck des Bordnetzes umfassend zu senken, was wiederum die Nachhaltigkeitsbestrebungen der OEMs wirkungsvoll unterstützt.
Mit diesen und weiteren realistischen Produkt- und Fertigungsideen wird Leoni seine Position als bevorzugter Bordnetz-Partner ausbauen. Schon heute bietet Leoni die Fertigung von kundenspezifischen Kabelsätzen an, dazu Entwicklungsdienstleistungen. Parallel dazu wächst das Portfolio an innovativen Hardwarekomponenten, beispielsweise um Leistungsverteiler, innovative Stromschienen und Zonencontroller. Im Zuge der weitgehenden Digitalisierung seiner Entwicklungs- und Produktionsprozesse will Leoni künftig noch zielgenauer, schneller und flexibler gemeinsam mit den Kunden zu nachhaltigen Lösungen gelangen.
Zonale Architekturen sorgen im Bordnetz der Zukunft für neue Möglichkeiten bei Lieferketten & Produktion, niedrigere Gesamtkosten für OEMs und erhöhte Nachhaltigkeit.
Pressekontakt
Gregor le Claire
Konzernpressesprecher